Wirkungsbereich der Figuren

Erich macht das didaktisch ganz geschickt. Seine Haare sind schon leicht ergraut, und wegen seiner Stirnglatze, der dunklen Hornbrille mit den dicken Gläsern und seiner ruhigen Art zu sprechen, entspricht er dem Klischee eines Hochschullehrers. Tatsächlich aber arbeitet er als Grafiker in einem Zeitungsverlag.

«Jede der Schachfiguren kann sich von ihrem Standort aus nach ganz bestimmten Regeln fortbewegen. Eine Bewegung einer Figur ist ein Zug, der Spieler mit den weißen Steinen eröffnet die Partie, Schwarz spielt den Gegenzug und so weiter.» Erich erklärt Lisa im Folgenden, welche Rolle den einzelnen Figuren in einem Schachspiel zugedacht ist.

Der König

Der König ist nicht die stärkste Figur auf dem Feld, aber die wichtigste. Ist er verloren, also schachmatt gesetzt, ist die Partie zu Ende.

Seine Kampfstärke ist ziemlich bescheiden, denn er kann sich von seinem Standort aus nur um ein Feld in jeder Richtung fortbewegen. In Beispiel-Diagramm 2 beherrscht der weiße König 8 Felder, der schwarze deren 5.

Diagramm 2

Der Turm

Der Turm darf horizontal und vertikal nach allen Richtungen beliebig weit ziehen. Auf dem leeren Brett beherrscht er stets 14 Felder, unabhängig davon, auf welchem Feld er steht.

Der Turm ist nach der Dame die zweitstärkste Figur auf dem Brett. Zwei Türme haben etwa den gleichen Wert wie eine Dame.

Diagramm 3

Der Läufer

Der Läufer beherrscht die Diagonalen. Er bewegt sich von seinem Standort aus nur schräg, ebenfalls beliebig weit wie der Turm. Im Gegensatz zu diesem reduziert sich sein Wirkungsbereich jedoch, je nachdem, auf welchem Feld er steht. Bedingt durch seine Gangart, ist es dem Läufer nicht möglich, die Farbe seiner Felder zu wechseln.

Diagramm 4

Rosemarie J. Pfortner, www.kunstundschach-rjp.com

Die Dame

Die einzige weibliche Figur ist zugleich die mächtigste, denn sie bewegt sich wie Turm und Läufer zusammen, also sowohl diagonal als auch gradlinig in jede Richtung.

Die Dame beherrscht fast die Hälfte des ganzen Schachbretts. Sie wird auch oft als Königin bezeichnet, in der englischen Notation schreibt man sie mit «Q» wie Queen.

Diagramm 5

Der Springer

Eine ganz spezielle Schachfigur ist das Pferd, Springer genannt (in den englischsprachigen Ländern nennt man diese Figur Knight [Knecht]). Springer ist eine zutreffende Bezeichnung, denn diese Figur zieht nicht, sondern springt, und zwar immer auf das zweitnächste andersfarbige Feld. Man kann die Springerbewegungen mit einem stehenden oder liegenden L vergleichen. Ausgehend von seinem Standort hat er 8 mögliche Zielfelder. Weil der Springer nur 8 Felder beherrscht, wird sein Wert von Anfängern oft unterschätzt. Zu Unrecht, wie spätere Beispiele zeigen werden.

Diagramm 6

Rosemarie J. Pfortner, www.kunstundschach-rjp.com

Der Bauer

Während sich alle Figuren, die von den Grundlinien 1 und 8 aus ins Geschehen eingreifen, vorwärts und rückwärts bewegen können, gibt es für die Bauern nur eine Richtung: nach vorne, dem Feind entgegen!

«Schach ist ein Kampfspiel», betont Erich, «man kann die Figuren als zwei feindliche Heere betrachten, die sich gegenseitig zu überlisten und zu schwächen versuchen mit dem Ziel, den gegnerischen König festzunageln und mattzusetzen. Der Bauer ist mit dem Fußsoldaten vergleichbar. Er zieht in gerader Linie von Feld zu Feld, stets nur einen Schritt vorwärts, mit Ausnahme des ersten Zugs: Von der Grundstellung aus dürfen die Bauern, wenn es sinnvoll erscheint, einen Doppelschritt machen, zum Beispiel von d2 direkt auf d4.

Gelingt es einem Bauern, die gegnerische Grundlinie zu erreichen, verwandelt er sich in eine beliebige Figur (außer in einen König). Der so unscheinbare Bauer wird zum Ritter geschlagen und greift nun in einer andern Rolle, zum Beispiel als Dame, entscheidend ins Spiel ein. Es ist unbedeutend, ob die Dame zuvor schon geschlagen worden ist oder ob nun mehrere Damen der gleichen Truppe auf dem Brett stehen.»

Lisa prägt sich das alles gut ein. Sie glaubt verstanden zu haben, wie die einzelnen Figuren laufen.

Blockierung durch eigene Steine

«Bevor wir eine erste Partie spielen, musst du noch wissen, dass keine Figur ein Feld betreten darf, auf dem bereits eine Figur der eigenen Truppe steht. Und keine Figur, mit Ausnahme des Springers, darf eigene oder feindliche Figuren überspringen. Dazu machen wir eine kleine Übung.»

Erich platziert ein paar Figuren auf dem Brett und will anschließend von Lisa wissen, welche Zugmöglichkeiten die einzelnen Steine haben (siehe Diagramm 7).

«Stell dir vor, Weiß wäre am Zug. Erkläre mir nun, welche Züge die einzelnen weißen Steine theoretisch machen könnten, angefangen mit dem König auf g2!»

Lisa kommt sich ein wenig vor wie in der Schule. Am liebsten hätte sie gleich eine richtige Partie gespielt, aber sie ahnt, dass ihr noch das grundlegende Wissen fehlt, um mit den Figuren auf dem Brett etwas Gescheites anzufangen. Wie war das noch mit dem König? Komisch, dass er nicht die stärkste Figur ist und nur gerade einen Schritt auf das nächste Feld machen darf. Sie konzentriert sich aufs Brett und löst schließlich die Aufgabe fehlerfrei. Zuerst alle möglichen Züge der weißen Steine, dann die der schwarzen. Erich ist sehr zufrieden mit seiner Nichte.

«Das reicht für heute», meint Erich. «Nächste Woche machen wir weiter, dann reden wir über das Schlagen von Figuren und über das Schachmatt.»

Diagramm 7

Weiß hat folgende Wahl (Diagramm 7):

Kg2 kann auf die Felder g1, f1, f2, g3, h3, h2;
Th1 kann auf die Felder g1 bis d1 und h2 oder h3 ziehen;
Lc1 kann nirgends hin! Der Bauer b2 und der Springer d2 blockieren ihn;
Sd2 kann auf die Felder b1, b3, c4, e4 oder f1;
Bauern b2 kann auf b3 oder b4; f3 kann auf f4; h4 ist blockiert; h5 kann auf h6.

Wäre Schwarz am Zug, stünden folgende Möglichkeiten zur Auswahl:

Ke8 kann auf d8, d7, f7, f8;
Tb8 kann auf a8, c8 oder d8;
Sc6 kann auf a5, b4, d4, d8, e5; Se7 auf c8, d5, g6 oder g8;
Bauern a7 kann auf a6 oder a5; b7 auf b6 oder b5; e6 auf e5; f5 auf f4.

«Na, wie war euer Schachspiel?», ruft Lisas Vater, ohne den Blick vom Fernsehbildschirm abzuwenden, auf dem die letzten Minuten des «Tatorts» laufen.

«Gut», antwortet Lisa, «aber wir haben noch nicht richtig gespielt, ich bin noch am Lernen.» Tatsächlich ist sie ein wenig verwirrt. Sie hatte sich das Spiel einfacher vorgestellt und dachte, dass sie nach einer kurzen Einführung gegen Onkel Erich spielen und ihn womöglich gleich fordern könnte. Nun fängt sie an zu begreifen, dass das Schachbrett mit den 64 Feldern und den faszinierenden Figuren mit keinem Spiel zu vergleichen ist, das sie schon kennt.

Das Schlagen und die Fesselung

Die Woche nach Lisas erster Schachlektion verging wie im Flug. Schule besuchen, Hausaufgaben lösen, dazwischen Zeit mit Freundinnen verbringen, ein Wochenendausflug mit ihren Eltern – für Schach blieb keine Zeit. Sie freute sich aber auf Erichs nächste Schachlektion und war gespannt, was ihr Onkel ihr diesmal beibringen würde.

«Na, Lisa, wollen wir mit Schach weitermachen?», fragt Erich nach dem Essen und scheint keineswegs davon überzeugt, dass sich seine Nichte erneut entscheiden würde, das Schachspiel dem TV-Krimi vorzuziehen. «Ja, gerne», antwortet sie, «aber ich glaube, ich habe schon fast alles vergessen, was du mir letzte Woche beigebracht hast.»

«Glaub ich nicht», meint Erich, «aber kein Problem, wir repetieren kurz alles, was ich dir letzte Woche erklärt habe, dann befassen wir uns mit dem Schlagen von Figuren, mit Fesselungen und mit dem eigentlichen Ziel des Schachspiels, dem Mattsetzen des gegnerischen Königs.»

«Das tönt ja wieder sehr kriegerisch», lacht Lisas Mutter, «willst du dir das wirklich antun, Lisa?»

«Klar, Mama, guck du nur den Krimi, der ist noch viel brutaler», grinst Lisa. Ihre Mutter weiß nicht so recht, ob sie lachen oder schmollen soll.

Erich und Lisa spielen noch einmal die Rollen der einzelnen Figuren durch, und Lisa wird rasch wieder klar, wie Dame, Läufer, Springer, Türme und die Bauern ziehen können.

«Gut, wie du weißt, darf nur der Springer einen Stein überspringen. Es ist jedoch erlaubt, ein Feld zu betreten, auf dem sich ein gegnerischer Stein befindet, indem man diesen schlägt und vom Brett entfernt.»

Erich baut eine Stellung wie im Diagramm 8 auf und erklärt: «Schwarz am Zug könnte mit der Dame den Läufer c3 schlagen oder auf Feld f1 gehen und den weißen König angreifen und Schach geben. Wenn der König von einer gegnerischen Figur direkt angegriffen wird, steht er im Schach. Würde die schwarze Dame also auf f1 gehen und den König auf h1 angreifen, könnte der Springer auf h2 die Dame auf f1 schlagen. Oder, was meinst du?», fragt Erich.

Lisa ist verwirrt. «Ja, warum denn nicht?»

«Wenn der Springer nicht mehr auf h2 steht, könnte Schwarz mit dem Turm h8 den König auf h1 schlagen. Der König wird aber niemals geschlagen, sondern mattgesetzt», erklärt Erich. «Schachmatt ist er, wenn er angegriffen wird und auf kein Feld flüchten kann, das nicht von einem gegnerischen Stein bedroht ist. In unserem Fall schützt der Springer den König vor dem Angriff des Turms auf h8 und ist deshalb an den König gefesselt, das heißt, er darf sein Feld nicht verlassen. Aus dem gleichen Grund kann Weiß auch seinen Turm auf g2 nicht bewegen, solange die gegnerische Dame auf f3 steht.»

Diagramm 8

Diagramm 8, Weiß am Zug Diagramm 8, Schwarz am Zug
  • Lc3 könnte Th8 schlagen (Lc3xTh8; Kurznotation: Lxh8).
  • Dame schlägt Läufer auf c3 (Dxc3) oder geht auf d1 oder f1 (Df1+), umden König anzugreifen. Weiß müsste dann den Turm auf g1 schützend dazwischen stellen (Tg1).
  • Springer h2 darf die Dame auf f3 nicht schlagen, weil der schwarze Turm auf h8 steht. Dadurch ist der Springer gefesselt, denn wenn er wegzieht, steht sein König im Schach und könnte im nächsten Zug vom Turm geschlagen werden (siehe Seite , Die Sonderstellung des Königs).
  • Dame schlägt Turm auf g2: keine gute Idee, denn dann könnte der weiße König die Dame schlagen!
  • Der Turm auf g2 darf ebenfalls nicht ziehen, weil ihn die gegnerische Dame auf f3 an den König fesselt!
  • Turm schlägt Springer auf h2 (Txh2): Ein schlechter Tausch, denn der weiße König schlägt anschließendden ungeschützten Turm.
  • Bewegt sich der König auf g1, entzieht er sich den Fesselungen!
  • Turm geht auf g8. Schwarz verzichtet auf das Schlagen einer weißen Figur und droht im nächsten Zugmit DxTg2 matt! Der Springer h2 wäre dann aber entfesselt und könnte die Dame schlagen.

«So, nun spielen wir einfach einmal eine Partie und sehen, was dabei herauskommt», schlägt Erich vor.

Das ist ganz in Lisas Sinn. Erich eröffnet das Spiel, indem er den Bauern von e2 nach e4 schiebt. «Mein erster Schachzug», überlegt Lisa, und schon hat sie ein Problem. Soll sie auch einen Bauernzug machen, und wenn ja, welchen? Sie spielt zögerlich den Bauern auf f5, Erichs Bauer von e4 schlägt sogleich Lisas Bauer auf f5, und Lisa protestiert: «Die Bauern dürfen doch nur geradeaus ziehen!»

«Richtig», antwortet Erich, «aber schlagen tun sie schräg vorwärts.»

Lisa hat keine Ahnung, wie sie weiterspielen soll. Nach wenigen Zügen hat Erich sie mit der Dame mattgesetzt.

«Das war nur eine kleine Übung», meint Erich, «und das ging ja schon ganz gut. Du weißt, wie sich die Figuren bewegen, wie man gegnerische Steine schlägt und hast gesehen, wie dein König mattgesetzt wurde. Das Schlagen der Bauern muss ich dir noch einmal erklären, auch das Schlagen en passant und die Sonderstellung des Königs gehören zu den speziellen Regeln des Schachs, die Anfängern etwas Mühe machen.»

Das Schlagen der Bauern

Im Folgenden erklärt Erich, was er mit den besonderen Bauernzügen und der Stellung des Königs gemeint hat und baut dazu die Stellung auf wie in Diagramm 9 gezeigt.

«Im Gegensatz zu allen andern Figuren, die in der Richtung schlagen, in der sie ziehen oder springen, schlägt der Bauer nicht geradeaus, sondern die Steine, die im Feld rechts oder links vor ihm stehen», erklärt er.

Diagramm 9

Erich will wissen, welches die besten Züge wären, je nachdem, ob Weiß oder Schwarz am Zug wäre. Lisa lernt dabei, wie wichtig Bauern manchmal sein können.

Diagramm 9: Weiß am Zug kann den Turm f8 schlagen und den Bauern gleichzeitig in eine Dame umwandeln, wonach er die Partie gewinnen sollte. Schwarz am Zug gewinnt in zwei Zügen: Der Bauer f2 geht auf f1 und wird zur Dame, die den König angreift. Diesem bleibt nur das Fluchtfeld d2 (c3 und e3 sind im Wirkungsbereich des Bauern d4, auf c2 steht ihm ein eigener Bauer im Weg). Im nächsten Zug zieht der schwarze Turm auf f2, und Weiß ist mattgesetzt.

Schlagen en passant

«Nun noch eine Ausnahmeregel, die ich dir nicht ersparen kann.» Erich scheint erfreut über Lisas immer noch vorhandenes Interesse, Neues hinzuzulernen.

«Eine besondere Art des Schlagens ist en passant, das Schlagen im Vorbeigehen. Diese Regel verwirrt meistens die Anfänger, weshalb ich versuche, sie dir genauer zu erklären: Du weißt, dass ein Bauer mit seinem ersten Zug einen Doppelschritt tun und zwei Felder vorrücken kann. Angenommen, du würdest mit dem weißen Bauern von c2 auf c4 ziehen zu einem Zeitpunkt, da der schwarze Bauer auf b4 steht, so siehst du, dass der weiße Bauer mit diesem Doppelschritt seinem Kontrahenten auf b4 die Möglichkeit des Schlagens raubt. Für diesen Fall wurde die Sonderregelung des En-passant-Schlagens geschaffen, indem der schwarze Bauer auf dem Feld seines Wirkungsbereichs, auf c3, schlagen darf. Schwarz kann also den Doppelschritt von Weiß ignorieren und so schlagen, als ob Weiß den Bauern nur auf c3 gespielt hätte. Dieser Zug muss sofort auf c2–c4 erfolgen, zu einem späteren Zeitpunkt kann auf dieses Sonderrecht nicht zurückgekommen werden. Dies ist die einzige Ausnahme von der Regel, dass ein Stein nur dort geschlagen werden kann, wo er sich befindet.»

Weil Lisa ihren Onkel nur fragend anschaut, zeigt Erich auf dem Brett, wie en passant geschlagen wird (Diagramm 10).

Diagramm 10

Die Sonderstellung des Königs

«Im Zusammenhang mit dem Schlagen von Figuren muss man die Sonderstellung des Königs erwähnen», doziert Erich. «Im Gegensatz zu jedem andern Stein darf der König nämlich niemals geschlagen werden! Er darf und soll angegriffen werden, also mit einem Schachgebot, aber er muss diese Bedrohung unter allen Umständen abwenden können. Der angreifende Spieler macht mit der Attacke auf den König oft auch verbal auf die Gefahr aufmerksam, indem er bei der Zugsausführung das Wort «Schach» ausspricht (wozu aber keine Verpflichtung besteht). Längst aus der Mode gekommen ist die Ansage «Garde», wenn die Dame angegriffen wird. Kann der angegriffene König die Bedrohung nicht abwenden, zum Beispiel indem die angreifende Figur geschlagen wird oder ein eigener Stein sich schützend vor den König stellt, und kann er nicht auf ein sicheres Feld flüchten, ist die Partie beendet, der König ist schachmatt.

Innerhalb seines bescheidenen Wirkungsbereichs – wie wir inzwischen wissen, darf der König in jeder Richtung nur ein Feld weit ziehen –, kann der König selber auch gegnerische Steine schlagen. Diese dürfen aber nicht durch andere feindliche Figuren geschützt sein, denn der König darf kein Feld betreten, das von einer feindlichen Figur beherrscht wird. Passiert ihm das in einem Turnierspiel, ist die Partie sofort beendet. Wo nicht so streng nach Regeln gespielt wird, darf ein Zug, mit dem Einverständnis des Mitspielers, auch zurückgenommen werden. Ansonsten gilt: berührt, geführt

Erich stellt wieder ein paar Figuren auf das Schachbrett (Diagramm 11) und lässt Lisa folgende Aufgabe lösen: «Der Läufer auf d5 greift den König an, der auf g8 steht. Was machst du mit Schwarz nun am besten?»

Lisa konzentriert sich. «Auf h8 kann er nicht, weil der Springer auf g6 steht, also muss er auf h7, richtig?»

«Das ist korrekt. Gibt es noch eine andere Möglichkeit?»

Diagramm 11

«Ach so, ja, er kann auch den Turm auf f7 stellen, dann steht der König nicht mehr im Schach.»

«Auch das ist richtig», antwortet Erich. «Also, welche von den zwei Möglichkeiten ist für Schwarz die bessere?»

«Ich würde mit dem König auf h7, sonst schlägt Weiß den Turm, wenn ich ihn auf f7 stelle», antwortet Lisa.

«Sicher?» Erichs Stimme signalisiert, dass er einen besseren Vorschlag erwartet hat. «Visualisiere die Stellung, wenn der schwarze König auf h7 steht und nun wieder Weiß am Zug ist. Beachte den Springer auf g6!»

«O je, daran habe ich nicht gedacht», gesteht Lisa, «dann ist der Turm ja ohnehin verloren!»

«Genau», bestätigt Erich, aber wenn Schwarz nicht auf h7 flüchtet, sondern den Turm auf f7 stellt, schenkt er Weiß nicht einfach den Turm. Der Läufer schlägt zwar den Turm, wird aber im Gegenzug vom König geschlagen.»

Erich findet, dass das ein gutes Beispiel war, um die Möglichkeiten des Königs zu erklären und um Lisa zu zeigen, dass es im Schach darauf ankommt, nicht nur den nächsten Zug vor Augen zu haben, sondern auch noch den nächstfolgenden Zug vorauszusehen.

Lisa ärgert sich ein wenig über sich selber. «Da hätte ich eigentlich auch draufkommen sollen.»

Erich lacht und meint, sie habe bereits viel gelernt und dass es für heute genug sei.

«Ach, komm!», protestiert Lisa, «der Krimi läuft noch eine Weile. Hast du noch ein Beispiel?»

Erich ist verblüfft. Und auch ein wenig müde. «Du willst es wirklich wissen, nicht wahr? Gut, wir machen noch eine Übung.»

Figuren abtauschen

«In einer Schachpartie werden normalerweise auf beiden Seiten Steine geschlagen, und in der Regel – aber nicht immer – gewinnt der Spieler, der noch mehr Material auf dem Brett hat.

Eine Figur, die im Wirkungsbereich eines feindlichen Steines steht, ist bedroht. Die Figur muss sich dem Angriff zu entziehen versuchen, außer ihr Verlust kann kompensiert werden, indem eine gleichwertige Figur der gegnerischen Steine geschlagen wird. Werden gleichwertige Steine beider Lager geschlagen, spricht man von Abtausch. Wann ein Abtausch sinnvoll ist, ist – situationsbedingt – von taktischen Überlegungen abhängig, auf die wir später einmal kommen werden.

Kein Abtausch ist es hingegen, wenn auf der einen Seite ein Turm und auf der andern im Gegenzug ein Läufer oder Springer geschlagen wird. Da der Turm, der wie die Dame als Schwerfigur gilt, mehr Gewicht hat als die Leichtfiguren Springer und Läufer, spricht man bei einem solchen Tausch von Qualitätsgewinn oder -verlust, je nachdem, wer den besseren oder schlechteren Tausch gemacht hat. Es ist also wichtig, den Wert der Figuren zu kennen.»

Wieder konstruiert Erich auf dem Brett eine Stellung (Diagramm 12).

Diagramm 12

«Du hast die schwarzen Steine und bist am Zug. Mach einen Vorschlag!»

Lisa denkt laut: «Der Springer f2 kann den Läufer e4 schlagen, aber auch den Turm auf h1. Der Turm wäre wertvoller, hast du einmal gesagt, stimmts?»

«Gut aufgepasst», bemerkt Erich anerkennend. «Das wäre ein Qualitätsgewinn, auch wenn Weiß dann mit dem Läufer e4 oder mit dem Springer g3 den schwarzen Springer auf h1 schlagen würde. Der Bauer auf h2 wäre kaum mehr zu verteidigen, und der Spieler mit den schwarzen Steinen müsste dank des materiellen Übergewichts diese Partie gewinnen.»

Der Wert der Steine

Dame 9 Punkte 1)
Turm 5 Punkte
Läufer 3 Punkte
Springer 3 Punkte
Bauer 1 Punkt
König (wird nicht geschlagen)

Eine Woche später. Lisas Eltern haben sich mittlerweile daran gewöhnt, dass ihre Tochter es vorzieht, von Onkel Erich in die Welt des Schachspiels entführt zu werden, statt mit ihnen den Krimi am Sonntagabend zu sehen. «Heute schauen wir uns Patt- und Mattstellungen an», verkündet Erich, «und dann befassen wir uns mit der Rochade. Wenn du das alles begriffen hast, können wir richtig schöne Partien spielen.»

Auf die richtig schönen Partien ist Lisa gespannt. Sie freut sich schon auf Rudis Überraschung, wenn sie ihrem Schulfreund verraten würde, dass sie jetzt auch Schach spielen kann. Sie schaut zu, wie Erich sein Weinglas neben dem Schachbrett platziert und seine dicken Brillengläser putzt. «Spielst du auch in einem Schachklub?», fragt sie ihren Onkel.

«Früher war ich bei den Junioren dabei, jetzt fehlt mir die Zeit, um in einem Verein zu spielen. Ab und zu spiele ich im Café Littéraire, da sind immer ein paar gute Schachspieler, alles Amateure, aber echt stark. Wenn du magst, nehme ich dich einmal mit, damit du eine Ahnung bekommst, wie da gespielt wird.»

«Aber nicht im Ernst», protestiert Maya, die das offenbar mitbekommen hat, «du willst doch Lisa nicht in dieses verrauchte Lokal mitnehmen?» «Ach, nur für eine halbe Stunde oder so», grinst Erich.

Die Pattsituation

«Also, machen wir weiter. Zuerst die Pattstellung. Manche Ausdrücke, die eine Situation oder Vorgang in den Bereichen Politik und Wirtschaft umschreiben, haben ihren Ursprung im Schachspiel, zum Beispiel das Bauernopfer, wenn nach einem Fiasko ein rangniedrigerer Angestellter statt des eigentlich verantwortlichen Chefs der Bank entlassen wird, oder die Pattsituation, wenn politische Verhandlungen festgefahren sind und keine Partei zu Kompromissen bereit ist», holt Erich aus.

«Im Schachspiel kann es zum Patt kommen, wenn ein Spieler keine Möglichkeit mehr hat, einen Stein zu bewegen, obschon sein König nicht im Schach steht, also nicht von einer feindlichen Figur angegriffen ist.» Erich erklärt das an einem Beispiel (Diagramm 13).

Diagramm 13

Schwarz am Zug. Aber wohin mit dem König? Schachmatt ist er nicht, denn keiner der weißen Steine greift ihn unmittelbar an, aber er kann auf kein Feld, das nicht vom gegnerischen König oder dem Bauern auf c7 beherrscht ist. Also eine Pattstellung, es gibt keinen Sieger.

Anders sähe es aus, wenn Weiß am Zug wäre: Der König ginge z.B. auf b6 (oder d6), Schwarz mit dem König auf d7, worauf Weiß Kb7 spielt und im nächsten Zug den Bauern c7–c8 in eine Dame umwandelt.

Das Remis durch Dauerschach

«Unentschieden durch Patt gibt es selten», erklärt Erich. Aber viele Partien enden unentschieden, wenn sich zwei Spieler auf ein Remis einigen, weil sie nur noch wenige in etwa gleichwertige Figuren auf dem Brett haben. Unentschieden endet eine Partie auch nach dreimaliger Zugswiederholung. Schauen wir uns dazu ein Beispiel an.» Erich stellt ein paar Steine aufs Brett (Diagramm 14).

Diagramm 14

Lisa sieht, dass Weiß viel besser steht und dass Schwarz keine Chance hat, die Partie zu gewinnen. «Wenn die weiße Dame den Bauern g7 schlägt, ist die Partie fertig, richtig?»

«Genau, das hast du sehr gut gesehen», lobt Erich. «Hier ist aber Schwarz am Zug und könnte eigentlich gleich aufgeben. Was wäre dein Vorschlag, wenn du mit Schwarz den nächsten Zug machen müsstest?»

«Hm, ich weiß nicht, vielleicht den Springer auf e8 stellen?» Lisa findet das Problem nicht besonders spannend.

Diagramm 15

«Nicht schlecht, dann dauert die Partie noch ein paar Züge länger. Aber denk mal nicht nur ans Verteidigen, sondern an Angriff! Hier kommt Schwarz ein glücklicher Umstand zu Hilfe: Wenn der Springer auf a3 zieht und den weißen König auf b1 angreift (Diagramm 15), ist dieser gezwungen, auf a1 zu ziehen. Wenn dann der Springer auf c2 geht und den König erneut angreift (Diagramm 16), bleibt dem armen König nichts anderes, als auf Feld b1 zurückzugehen. Springer dann wieder auf a3, König auf a1, Springer auf c2 usw. So könnte es ewig weitergehen, doch das würde mit der Zeit doch etwas langweilig, nicht wahr? Deshalb gilt: Nach dem dritten gleichen Zug hintereinander ist fertig lustig! Die Partie endet remis, also unentschieden!»

Diagramm 16

Die 50-Züge-Regel

Erich kommt noch eine weitere Variante in den Sinn, wie eine Partie unentschieden enden kann – nebst Patt, Remis nach Vereinbarung und Zugswiederholung: «Es kommt vor, dass ein Spieler außer dem König und vielleicht einem Springer oder Läufer keine Figuren mehr besitzt, um eine Partie gewinnen zu können, sein Gegner aber nicht weiß, wie er seinen Materialvorteil nutzen kann. Wenn beispielsweise der eine Spieler außer dem König noch einen Turm oder zwei Läufer oder einen Läufer und einen Springer auf dem Brett hat und sein Gegner nur den König, wird von diesem Moment an die Partie nach maximal 50 weiteren Zügen als beendet betrachtet und unentschieden gewertet. Das ist wie im Fußball, erklärt Erich, wenn eine Mannschaft aus Dutzenden von Torchancen kein Tor erzielt und der Gegner nur verteidigt, endet das Spiel remis.

Nicht zu gewinnen ist eine Partie mit nur noch einem Läufer oder mit zwei Springern allein. Mit einem Läuferpaar ist es möglich, den Gegner mattzusetzen. Diese Stellung ergibt sich allerdings extrem selten und erfordert an die 20 systematisch gespielte Züge (S. 60). So viel zu den Unentschieden-Partien», beendet Erich seinen Vortrag.

Schachmatt als Ziel der Schachpartie

Du kennst nun die wichtigsten Regeln des Schachspiels», eröffnet Erich nach einer kurzen Trinkpause den zweiten Teil des Schachabends. «Du weißt, wie die Figuren marschieren und feindliche Steine schlagen können und dass es im Schachspiel darum geht, den gegnerischen König mattzusetzen. Du hast gelernt, dass man alle Figuren auf dem Brett schlagen kann, nur nicht den König. Dieser wird angegriffen, und wenn es gelingt, ihn mit dem Angriff so gefangenzunehmen, dass ihm kein Ausweg bleibt, ist die Partie entschieden, der König ist schachmatt. Das Mattsetzen bereitet den meisten Anfängern zunächst etwas Mühe. Wie nagelt man den gegnerischen König fest? Ich habe dazu ein paar Übungen für dich gespeichert.»

«Genau», bestätigt Lisa, «wann der König mattgesetzt ist und wann nicht, ist mir noch nicht hundertprozentig klar.»

Erich hat sein Tablet mitgebracht, auf dem eine Schach-App installiert ist. «Zuerst noch ein paar typische Mattbilder, die wir auf dem Schachbrett anschauen, bevor ich dich die Übungsbeispiele lösen lasse.» Er wischt alle Figuren vom Brett und stellt nur zwei Könige und eine Dame hintereinander auf eine Linie. «Beispiel 1», bemerkt er, «die Dame setzt den König auf dem Feld c8 matt (Diagramm 17). Der König kann nirgends hin, höchstens über den Brettrand springen, und er darf die Dame auf c7 nicht schlagen, weil der gegnerische König auf c6 steht und seine Dame schützt. Ein klares Matt. Hast du dazu eine Frage?»

«Nein, das ist klar», entgegnet Lisa überzeugt.

«Beispiel 2 (Diagramm 18). Der weiße König beherrscht die Felder b7, c7 und d7, die darf der schwarze König, der auf c8 steht, nicht betreten. Der weiße Turm auf a8 greift ihn an und beherrscht die ganze achte Reihe. Also?», fragt Erich.

Lisa muss nicht lange überlegen: «Auch schachmatt.»

«Gut, Beispiel 3 (Diagramm 19). Auch ein Bauer kann den gegnerischen König mattsetzen. Siehst du hier einen Ausweg für Schwarz?»

«Nein, der Bauer b7 bietet Schach, und der weiße König schützt die beiden Bauern.» Einen Moment hat Lisa gezögert, doch dann erinnert sie sich, dass die Bauern geradeaus ziehen, aber schräg schlagen. Also ist d8 kein Fluchtfeld für den schwarzen König.

«Fein, dann noch Beispiel 4 (Diagramm 20). Du siehst, dass man auch mit nur einem Läufer und dem Springer mattsetzen kann.»

Diagramm 17

Diagramm 18

Diagramm 19

Diagramm 20

Lisa ist froh um diese Beispiele und glaubt, definitiv begriffen zu haben, wie ein Schachmatt aussieht.

«Jetzt kannst du zeigen, wie viel du schon gelernt hast. Ich bin gespannt, wie du die folgenden Aufgaben löst.» Erich tippt auf seinem Tablet herum und erklärt Lisa, dass sie die Lösung der sechs Aufgaben auf einem Blatt notieren soll. «Ich bin etwas schulmeisterlich», sagt Erich selbstkritisch, «aber wenn du alle Aufgaben richtig löst, darfst du stolz auf dich sein.»

Das Prinzip bei jeder der sechs Aufgaben ist immer das gleiche: Sowohl Weiß als auch Schwarz setzen den Gegner in einem Zug matt. Es gibt also für jede Aufgabe eine richtige Lösung für Weiß und eine für Schwarz. Notiere zu jeder Aufgabe deine beiden Züge für Weiß und für Schwarz.

Matt imnächsten Zug

[Lösungen siehe nächste Seite]

Aufgabe 1

Diagramm 21

Weiß am Zug: __________

Schwarz am Zug: __________

Aufgabe 2

Diagramm 22

Weiß am Zug: __________

Schwarz am Zug: __________

Aufgabe 3

Diagramm 23

Weiß am Zug: __________

Schwarz am Zug: __________

Aufgabe 4

Diagramm 24

Weiß am Zug: __________

Schwarz am Zug: __________

Aufgabe 5

Diagramm 25

Weiß am Zug: __________

Schwarz am Zug: __________

Aufgabe 6

Diagramm 26

Weiß am Zug: __________

Schwarz am Zug: __________

Lisa konzentriert sich auf die sechs Aufgaben. Die ersten beiden hat sie schnell gelöst, bei der dritten hat sie etwas Mühe und benötigt mehrere Minuten, bis sie den richtigen Zug findet, mit dem Weiß den König in der Ecke mattsetzen kann. Auch die vierte Aufgabe findet sie schwierig, bevor sie den entscheidenden Bauernzug sieht. Aufgabe Nummer fünf kommt ihr bekannt vor, die Sache mit der Fesselung hat sie nicht vergessen. Die letzte Aufgabe lässt sie rätseln. Mit Schwarz ist alles klar, der Bauer schlägt den Springer a1 und wird zur Dame. Aber mit den weißen Steinen stimmt etwas nicht. Wie soll sie da in einem Zug mattsetzen?

«Erich», ruft sie, «ich komme nicht klar mit der sechsten Aufgabe!»

Lösungen

Aufgabe 1

Weiß: Dh8 ‡ (nicht Dh7 wegen Springer).
Schwarz: De1 ‡ (nicht Db1, sonst Kf2).

Aufgabe 2

Weiß: Sb6 ‡.
Schwarz: Txa2 ‡.

Aufgabe 3

Weiß: Tc7 ‡ (verhindert Tc8–c6).
Schwarz: Lf3 ‡. Zwei Beispiele mit Abzugsschach.

Aufgabe 4

Weiß: f2–f4 ‡.
Schwarz: a3xb2 ‡.

Aufgabe 5

Weiß: Sh6 ‡ (Doppelschach).
Schwarz: Tf1 ‡ (Turm g2 ist gefesselt).

Aufgabe 6

Weiß: e7xTf8 Springer ‡ (nicht e7xTf8 Dame!).
Schwarz: b2xSa1 Dame ‡.

Ihr Onkel, der sich zwischenzeitlich zu den andern Familienmitgliedern am TV gesellt hatte, kommt herbei. «Wo liegt das Problem?»

«Aufgabe sechs, matt im nächsten Zug – wie soll das gehen?», fragt Lisa leicht genervt.

«Ach so, alles klar. Wenn du alle übrigen Probleme gelöst hast, gratuliere ich dir! Mal schauen.» Er checkt Lisas Lösungen und gratuliert ihr tatsächlich zum Ergebnis. «Aufgabe sechs ist ein wenig gemein», räumt er ein. Du hast vielleicht vergessen, dass ein Bauer in eine beliebige Figur umgewandelt werden kann, wenn er die gegnerische Grundlinie erreicht. Wenn er also zum Springer wird, dann…»

«Stimmt, bin ich blöd, daran habe ich nicht mehr gedacht», lacht Lisa. Erich findet, dass Lisa überhaupt nicht blöd sei und verspricht, nächste Woche mit ihr eine richtige Partie zu spielen. Einzig die Rochade müsse er ihr noch erklären, danach würde sie alle Regeln kennen.

Wieder eine Woche später. Lisa hat in der Zwischenzeit im Internet nach Webseiten gesucht, auf denen die Rochade im Schach erklärt wird. Staunend hat sie festgestellt, dass es abertausende Webseiten gibt, die sich mit dem Thema Schach befassen; unzählige davon erklären die Schachregeln für Anfänger, die Rochade und verschiedene Eröffnungen, auf YouTube und diversen HomePages gibt es dazu Lernvideos.

Erich selber hatte sie ermuntert, sich im Internet ein wenig nach Stoff umzusehen, der für ihr Schachtraining nützlich sein könnte.

Rudi, ihr Schulfreund, war begeistert, als Lisa ihm verriet, dass ihr Onkel ihr Schach spielen beibringt. Er freute sich schon auf die ersten Partien, die sie am schulfreien Nachmittag spielen könnten. Auch er empfahl ihr, im Web nach Lernmöglichkeiten zu schauen, aber wichtiger sei das Schachspiel am richtigen Brett gegen reale Gegner. Wobei er vermutlich vor allem sich selber meinte.

Die Rochade

«Nun», fragt Erich, «hast du ein wenig üben können? Soll ich dir noch die Rochade erklären, bevor wir eine Partie spielen?»

Lisa lässt sich gerne noch einmal von ihrem Onkel zeigen, wie rochiert wird und wann nicht rochiert werden darf. «Gut», beginnt er, «du weißt, dass bei jedem Schachzug nur ein einziger Stein bewegt wird. Die Rochade bildet die Ausnahme dieser Regel. Einmal pro Spiel ist es jedem Spieler erlaubt, mit seinem König und einem Turm einen Doppelzug auszuführen. Diese Ausnahme enthält eine weitere Abweichung von einer Regel, denn der König verschiebt sich dabei um zwei Felder. Davon abhängig, mit welchem der beiden Türme der König eine Rochade vollzieht, unterscheiden wir zwischen kurzer und langer Rochade, je nachdem ob sie kurz mit dem Turm auf der h-Linie (auf dem Königsflügel) oder lang mit dem Turm auf der a-Linie (dem Damenflügel) erfolgt.»

Rosemarie J. Pfortner, www.kunstundschach-rjp.com

Diagramm 27

Stellung vor der Rochade

Diagramm 28

Weiß hat lang, Schwarz kurz rochiert

Erich erklärt Lisa die Regeln, die für Rochaden gelten:

Sinn und Zweck der Rochade

Die Rochade macht aus zwei Gründen Sinn: Erstens findet der König hinter den noch vorhandenen Bauern auf der zweiten bzw. siebten Linie einen Unterschlupf, nachdem sich die Zentrumsbauern ins Schlachtgetümmel begeben haben und ihm keinen Schutz mehr vor direkten Angriffen bieten, zweitens können nun die Türme wirkungsvoller ins Geschehen eingreifen, statt in ihrer Ecke zu verkümmern.

Außerdem ist es vorteilhaft, die Leichtfiguren Läufer und Springer zu einem möglichst frühen Zeitpunkt der Partie ins Spiel zu bringen, damit die Rochade vollzogen werden kann. In den meisten Schachpartien sind beide Spieler bestrebt, die Rochade rechtzeitig auszuführen.

Diagramm 29

Die kurze Rochade ist nicht möglich, weil der König über das Feld f1 ziehen müsste, das vom Läufer c4 beherrscht wird. Die lange Rochade ist nicht erlaubt wegen des Springers auf b1.

Diagramm 30

Auch hier ist weder die kurze noch die lange Rochade möglich, weil der König wegen des feindlichen Springers auf g2 «im Schach steht».

Nach Erichs ausführlichen Erklärungen will Lisa endlich eine richtige Partie spielen.

«Ich bin nicht dein Oberlehrer», bemerkt Erich, «aber ich empfehle dir, alle Züge aufzuschreiben. Du hast dann die Möglichkeit, die Partie nachzuspielen und Fehler zu erkennen.»

Schachnotation (Teil 2)

Wie wir die einfachen Züge notieren, haben wir bereits gelernt, z.B. Bauer von e2 auf e4 (e2–e4 oder kurz einfach e4), Springer auf f3 (Sf3). Ein x steht für das Schlagen eines Steins, wenn z.B. Bauer a3 den Bauern b2 schlägt (siehe Diagramm 24): a3xb2‡ (oder axb2‡). Wenn ein gegnerischer Stein den König angreift, wird der Zug mit einem + notiert (oft auch mit dem Sterbekreuz †), ein Doppelschach mit ++, Schachmatt notieren wir mit ‡ oder «matt» (Diagramm 23, Schwarz zieht den Läufer auf f3: Lf3‡). Die kurze Rochade wird mit 0–0 notiert, die lange mit 0–0–0.


1) Manche Experten bewerten die Dame mit 10 Punkten (1 Dame = 2 Türme)